Dr. Michael Schenk, Leiter des steirischen Kinderwunsch Instituts und der Forschungsgesellschaft FRED, hat den Masterlehrgang Klinische Embryologie vor bald zehn Jahren initiiert. Im Interview spricht er über die europaweite Einzigartigkeit der UNI for LIFE Weiterbildungsmöglichkeit für ReproduktionsmedizinerInnen, mannigfache Zielgruppen, nicht zu unterschätzende Soft Skills in der Embryologie und neue Dynamiken in der Familienplanung.
UFL: Was macht diesen Masterlehrgang europaweit so einzigartig?
Dr. Schenk: Es ist der einzige deutschsprachige Masterlehrgang für Klinische Embryologie in ganz Europa. Vergleichbares gibt es nur in Birmingham und Australien. Gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Leiter, Univ.-Prof. Mag. DDr. Erwin Petek von der Med Uni, habe ich vor zehn Jahren das Curriculum für den Lehrgang gemäß dem Anforderungsprofil für EmbryologInnen der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) entwickelt. Wir sind ständig dabei, am Format zu schrauben. Denn kaum etwas ist in der Reproduktionsmedizin wichtiger als neue und zukunftsweisende Erkenntnisse und Forschungsergebnisse.
UFL: Immer mehr Frauen (und auch Männer) wollen in Hinblick auf die Familienplanung die „innere Uhr“ anhalten. Welche gesellschaftlichen Trends sehen Sie diesbezüglich auf uns zukommen und was bedeutet diese fortwährende Entwicklung für die Reproduktionsmedizin und ihre Fachkräfte?
Dr. Schenk: Zuallererst, die innere Uhr lässt sich nicht anhalten. Die Familienplanung und das Kinderkriegen sind zurzeit meist ausschließlich an der Verhütung aufgehängt. Das fruchtbarste Alter einer Frau liegt jedoch zwischen 20 und 24 Jahren. Diese Information ist vor allem für die Generationen X, Y, Z überraschend, wird die weibliche Fruchtbarkeit von ihnen meist ganz anders eingeschätzt, mitunter, weil ihre Realität von Alles-ist-möglich-Gedanken geprägt ist. Der Trend zur späten Elternschaft bedeutet oft invasive Behandlungen und unterstützende Therapien, um den Traum vom Wunschkind doch noch zu erfüllen. Dafür braucht es bestens ausgebildete und trainierte EmbryologInnen, die entsprechend der gesellschaftlichen Dynamiken verantwortungsvoll handeln. Und es braucht ein bewusstes Management des Familienplans. Frischgebackene Mütter um die 50 werden keine Seltenheit bleiben.
UFL: Nächstes Jahr feiern Sie an Ihrem Kinderwunsch-Institut in Dobl die 10.000 Eizellenentnahme. Welche Verantwortung birgt der Arbeitsalltag eines/r EmbryologIn?
Dr. Schenk: Fachliches, wissenschaftliches und ethisches Wissen sind Grundvoraussetzung im IVF-Labor und allen Institutionen, die sich mit Reproduktionsmedizin beschäftigen. Hinzu kommen erforderliche Soft Skills, denn es geht in diesem Beruf um Menschenleben. Eine entsprechende Wertehaltung und Herzensbildung sind ebenso wesentlich wie kommunikative Kompetenzen. EmbryologInnen sind längst keine einsamen Laborratten mehr, sondern vertrauensvolle Ansprechpartner für Paare. Sie sind WissensmanagerInnen, agieren im Team und brauchen z. B. als LaborleiterInnen auch Leadership-Qualitäten.
UFL: Welche technischen Zukunftsszenarien erwarten Ihres Wissens nach u.a. auf AbsolventInnen des Masterlehrgangs Klinische Embryologie?
Dr. Schenk: Ich war unlängst bei der FRM Conference in New York, wo sich gezeigt hat, dass wir künftig mit einigen Paradigmenwechseln konfrontiert sein werden. Es wurde z. B. das erste Mal dargestellt, dass es gelingen könnte, Samen- und Eizellen aus totem Gewebe zu gewinnen. Gebärmutter und Eierstöcke aus dem 3D-Drucker sind zumindest für Mäuse auch keine Utopie mehr.
UFL: Welche Zielgruppen sprechen Sie mit dem Masterlehrgang an?
Dr. Schenk: Die Zielgruppe ist vielfältig und reicht von diplomierten medizinisch technischen AnalytikerInnen (MTA) und biomedizinischen AnalytikerInnen (BSc), über HumanmedizinerInnen und VeterinärmedizinerInnen bis hin zu BiologInnen, BiochemikerInnen, ChemikerInnen, PharmazeutInnen und Hebammen (BSc).
Weitere Infos zum Masterlehrgang Klinische Embryologie