„Eltern zu sein, ist nicht immer leicht. Das trifft auf alle Eltern zu, aber ganz besonders auf Eltern, die ein Kind mit Beeinträchtigung haben.“ so Mag. Tiziana Lang-Bodirsky. Sie unterrichtet „Begleitung und Beratung von Bezugspersonen“ im Universitätskurs Interdisziplinäre Frühförderung und Familienbegleitung und arbeitet als interdisziplinäre Frühförderin und multifunktionelle Fördertherapeutin bei der Humanistischen Initiative und unterstützt Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und deren Eltern. Wir haben ihr einige Fragen zu ihrer Arbeit und zum Universitätskurs gestellt.
Kinder suchen oft schon früh Blickkontakt, lächeln zurück, wenn man sie anlächelt und reichen den Eltern die Arme entgegen. Anders so Kinder mit Autismus. Sie haben reduziertes Interesse an sozialen Kontakten oder auch Problemen beim Erfassen sozialer Situationen. Da es eine große Bandbreite an Erscheinungsformen, Ausprägungen und Schweregraden gibt, spricht man heute von einem Autismus-Spektrum.
Welche Probleme haben Eltern von Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS)?
Lang-Bodirsky: Da man Autismus von außen nicht erkennt, fällt diese tiefgreifende Entwicklungsproblematik meist erst im Verhalten der Kinder auf. Eltern erleben deshalb die Auseinandersetzung mit der Umwelt als belastend. Denn egal ob im Geschäft, von Nachbarn, von Verwandten oder von Freunden – Eltern werden immer in irgendeiner Form aufmerksam darauf gemacht, dass ihr Kind sich „komisch“ verhält. Sich dem standfest gegenüber zu stellen, freundlich aber bestimmt Parole zu bieten, erfordert viel Mut, Aufgeklärtheit und Training. Aber auch selbst die 24/7-Betreuung zu Hause, lässt viele Eltern an den Rand ihrer Kapazitäten kommen. Denn der Umgang mit den besonderen Bedürfnissen kostet viel Energie. Gefühle der Hilflosigkeit, Perspektivenlosigkeit und des Ausgeliefertseins können hier schnell Überhand gewinnen. An dieser Stelle setzt die Frühförderung an: Sie nimmt die Bedürfnisse der Eltern wahr, wertschätzt ihren unermüdlichen Einsatz, bestärkt sie und hilft mit entsprechenden Initiativen, um im idealen Fall eine Erleichterung zu bewirken.
Was brauchen Eltern, wenn ihr Kind in das autistische Spektrum fällt?
Lang-Bodirsky: Eltern, deren Kinder in das autistische Spektrum fallen, brauchen von Beginn an feinfühlige Beratung sowohl hinsichtlich der Besonderheiten, die Autismus mit sich bringt, als auch hinsichtlich der Erfordernisse im Handling und in der Förderung ihrer Kinder. Diese psychoedukative Beratung ist essentiell. Sie hilft Eltern, Autismus besser zu verstehen und mit Schwierigkeiten, die sich im Alltag ergeben, kompetent umzugehen.
Wie kann Frühförderung da unterstützen?
Lang-Bodirsky: Die Frühförderung kann hier einen wichtigen Beitrag leisten: Sie fördert nicht nur das Kind fachkundig und fungiert als Role Model, sondern sie zeigt Entwicklungsperspektiven auf, stützt und berät die Eltern bei der Bewältigung schwieriger Alltagsanforderungen. Bei Bedarf kann sie den Kontakt zu anderen betroffenen Eltern anbahnen. Frühförderinnen:Frühförderern vernetzen sich darüber hinaus mit anderen Fachdisziplinen. Am Beispiel von Autismus kann dieses Netzwerkwissen entscheidend dazu beitragen, dass Eltern schneller zu relevanten Informationen gelangen bzw. dass ihre Kinder schneller auf die Therapiewartelisten kommen. Denn auch hier gilt es, so früh wie möglich aktiv zu werden. Nicht selten ist die Frühförderung die allererste Maßnahme, die einsetzt, noch bevor das Kind einen außerhäuslichen Betreuungs- oder Therapieplatz hat. Damit schließt sie eine wichtige Lücke in der Versorgung dieser Familien.
Welche Vorteile hat Frühförderung?
Lang-Bodirsky: Ein großer Vorteil der Frühförderung besteht darin, dass sie im häuslichen Umfeld der Familie tätig ist, die individuellen Rahmenbedingungen der Familie berücksichtigt und rasch auf etwaige Anforderungen reagieren kann. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die Eltern die Herausforderungen im Alltag direkt ansprechen und zusammen mit der:dem Frühförderin:Frühförderer nach geeigneten Möglichkeiten des Umgangs suchen können. Auch wenn es nicht für alle Sorgen und Ängste sofort eine Lösung gibt, so kann die Gewissheit, mit jemandem Fachkundigen recht zeitnah reden zu können, eine vorübergehende Entlastung sein.
Wie bereitet der Universitätskurs „Interdisziplinäre Frühförderung und Familienbegleitung“ auf diese spannende und wichtige Tätigkeit vor?
Lang-Bodirsky: Der Universitätskurs vermittelt zum einen wichtige Aspekte der Beratung, zum anderen die Bedeutung des elterlichen Belastungserlebens, das sich je nach Familie ganz unterschiedlich gestalten kann. Um gut in die praktische Handlung zu kommen, braucht es eine gute innere Haltung gegenüber dem Auftrag und den Bedürfnissen der Eltern. Dieser Kurs gibt einen guten Überblick über die wesentlichsten Basics von beratenden sowie begleitenden Prozessen. Die Studierenden erhalten wichtige Grundlagen zum Thema Autismus und werden auf die praktische Umsetzung der Förderung im häuslichen Setting vorbereitet.
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