Derzeit befinden wir uns in einem entwicklungsreichen Zeitalter. Was entgegnen Sie dem Argument, der Datenschutz bremse Innovationen in der Wirtschaft aus?
Thiele: Das Gegenteil ist der Fall. Die Gegenwart und erst recht die Zukunft gehört jener Innovation, die den technischen Fortschritt mit dem Schutz der Privatheit optimal verbinden kann. Das ist wie mit der Nachhaltigkeit: Billig produzieren und die Umwelt verschmutzen kann jeder; ökologisch herzustellen und zu vertreiben ist die wahre Kunst. Genauso beim Datenschutz: privacy by design macht unser aller Leben besser und bewahrt Unternehmen vor Millionenstrafen.
Wagner: Der Datenschutz wurde grundsätzlich nicht so konzipiert, um neue Innovationen in der Wirtschaft zu verhindern, sondern eher Anreize für die Wirtschaft zu schaffen, die sowohl die Privatsphäre gewährleisten und gleichzeitig neuen Raum für Entwicklungspotential lassen. Datenschutz sollte nicht als Hemmnis angesehen werden, sondern vielmehr als Anregung. Tatsächlich ist es so, dass die Nachfrage von datenschutzfreundlichen Produkten sowie Dienstleistungen zweifellos immer höher wird. Wie gefährdet die Daten im Zeitalter der Digitalisierung sind, zeigt sich vermehrt in Affären wie Cambrige Analytica oder Datenhandel von Partei-Affinitäten. Ein moderner und starker Datenschutz ermöglicht alternative Geschäftsmodelle für die digitale Wirtschaft und kann durchaus verstärkt zu Wettbewerbsvorteilen führen.
Vor welchen aktuell ganz neuen Herausforderungen steht man als Datenschutzbeauftragte:r, wenn es um Contact Tracing und Quarantänebescheide geht?
Thiele/Wagner: Man muss den Entscheidungsträger:innen klar machen, dass der Datenschutz nicht vor dem Gesundheitsschutz aufhört. Unsere Rechtsordnung toleriert nur ein Sowohl-als-auch. Als Datenschutzbeauftrage:r ist es gerade in Coronazeiten umso wichtiger, die datenschutzrechtlichen Grundsätze zu wahren und Awareness bei Beschäftigen zu schaffen. Bedeutend ist, insbesondere einen Einklang zwischen Gesundheitsschutz und Datenschutz durch technische und organisatorische Maßnahmen herzustellen. Dies verlangt klare Maßnahmen und Regelungen zum Schutz der Beschäftigten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Arbeitstätte (Stichwort: Home-Office, Videokonferenzen). Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.
Welche Trends sind für 2022 und darüber hinaus für die Datenbranche ablesbar?
Thiele/Wagner: Für das Geschäftsmodell der Social Media, nämlich mit den Daten anderer zu handeln und daraus unermessliche Gewinne zu ziehen, an denen die Betroffenen nicht teilhaben, dürfte im Auslaufen begriffen sein. Die ePrivacyVO könnte hier ähnlich entscheidend wie die DSGVO werden. Vor allem die Softwarebranche wird sich überlegen müssen, ohne den Datenstrom in die USA auszukommen. In Zukunft wird die vorangetriebene Technologie den Datenschutz beeinflussen und verändern (müssen).
Wie lassen sich die Bedenken von Unternehmer:innen vor einengenden Datenschutz-Reglementierungen minimieren?
Thiele/Wagner: Nur wer die Regeln kennt, ist vor Überraschungen sicher. Das von der DSGVO durchgesetzte System des Self-Assessments ist viel unternehmerfreundlicher als das frühere Registrierungssystem mit staatlichem Eingriff ex ante. Datenschutz stellt keinen Selbstzweck dar. Unsicherheiten oder Sorgen entstehen immer dann, wenn man das Gefühl hat, etwas nicht mehr unter Kontrolle zu haben oder gewisse Konsequenzen nicht mehr abschätzen zu können. Hier soll vor allem die Wissensvermittlung im Vordergrund stehen.
Wer profitiert Ihrer Meinung nach ganz besonders vom Universitätskurs Datenschutzbeauftragte:r?
Thiele: All jene, die gleichgültig aus welcher Studienrichtung heraus, sich als Fürsprecher:in der Betroffenen in Betrieben oder öffentlichen Stellen einbringen wollen. Egal, ob am Sprung zum DSBA oder erst am Sondieren in diese Richtung zu gehen, alle erhalten wichtige Tools und das rechtliche bzw. technische Rüstzeug, um kompetent zu lernen "in Lösungen zu denken".
Wagner: Als heute viel beschäftigte Datenschutzbeauftragte hätte ich mich gerade vor Beginn meiner Tätigkeit sehr glücklich geschätzt, an einem solchen Universitätskurs teilzunehmen, da dieser in einem idealen Verhältnis zwischen Theorie und Praxis auf Hochschulniveau das erforderliche Rüstzeug vermittelt.
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