Wie gestaltet sich die journalistische Arbeitswelt der Zukunft vor dem Hintergrund der enormen Digitalisierung?
Maierhofer: Als ein Beispiel der eingeschränkten Vorhersehbarkeit der weiteren Digitalisierungsschübe bediene ich mich am Produkt ChatGPT. Damit ist die medial viel diskutierte KI-Chatbot-Anwendung gemeint, welche nach der Eingabe von Textbausteinen durch den Nutzer mittels Algorithmen des maschinellen Lernens aus bestehenden Inhalten neue Multimedia-Inhalte generiert, also eine Form eines "virtuellen Journalismus" abliefern kann. Dieses Programm hat einen neuen Rekord als schnellst wachsende Verbraucheranwendung aufgestellt. Seit der Erstankündigung Ende November 2022 bis Ende Januar 2023 wurden 100 Millionen aktive Nutzer registriert. Zum Vergleich: TikTok benötigte dafür neun Monate und Instagram zweieinhalb Jahre. Diese und vergleichbare Anwendungen werden wertvolle Unterstützungsleistungen im journalistischen Alltag liefern können.
Das klingt nach einem optimistischen Zukunftsszenario – ist dem so?
Maierhofer: Es wird leichter sein, schnell künstliche Multimedia-Inhalte zu erzeugen, bei denen für KonsumentInnen die Überprüfung der Inhalte auf ihren Wahrheitsgehalt nur noch schwer feststellbar sein wird. Leider gibt es bei der Digitalisierung auch Schattenseiten, die im konkreten Beispielfall zum Vertrauensverlust journalistischer Arbeit führen kann. Das wird dann der Fall sein, wenn bewusst künstliche Multimedia-Inhalte für Manipulationszwecke erzeugt werden und sachliche Berichterstattung immer mehr in den Hintergrund tritt. Eine Kernaufgabe der journalistischen Arbeitswelt wird resultierend daraus zukünftig darin bestehen, wie Vertrauen in die Tätigkeit von Journalist:innen gerade bei jungen Nachrichtenkonsument:innen aufgebaut und gestärkt werden kann.
Was braucht es dafür?
Maierhofer: Dafür bedarf es einerseits bei den Konsument:innen Wertschätzung für die verschiedenen Produkte der Nachrichtenbereitstellung, was wiederum vorhandenes Wissen zu den Grundaufgaben von Qualitätsjournalismus bedingt. Andererseits bedarf es fälschungssichere Qualitätskriterien, mit denen sich Informationsprodukte, die von gut ausgebildeten Menschen aufbereitet wurden, sich leicht von jenen unterschieden lassen, die durch Algorithmen generierten wurden.
Wie steht die Gen Z in unseren Breitengraden aktuell dem Journalismus gegenüber und welche gesellschaftspolitischen Aspekte sind in der Informationsgesellschaft von morgen relevant?
Maierhofer: Da es dahingehend noch keine belastbaren Studien gibt, kann ich nur von meiner persönlichen Einschätzung sprechen. Für die meisten der Gen Z ist das Smartphone das zentrale Mittel für die Organisation aller Lebensbereich, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Damit sind Verhaltensweisen verbunden, die frühere Generationen in dieser digitalen Intensität nicht kennen. Das mag beispielsweise die Art und Weise der Reaktionen betreffen, wie man sich über dieses Gerät unterhält, kommuniziert oder informiert. Wenn Entscheidungen mehrheitlich auf der Grundlage von Online-Empfehlungen, Kommentaren, Bewertungen und Rankings getroffen werden, dann stellt sich die Frage, ob sich die Qualität der Entscheidungsfindung von früheren Generationen unterscheidet, wo persönliche Erfahrungen und Empfehlungen dominierten? Natürlich gab und gibt es in der analogen Welt zahlreiche persönliche Fehlentscheidungen. Wenn jedoch in der digitalen Welt zu viel Informationen auf den unterschiedlichen Kanälen permanent einströmen und der Teil an Zeit immer geringer wird, um in Ruhe über eine Entscheidung nachzudenken, dann kann die Qualität von Entscheidungen abnehmen.
Erich Maierhofer ist Leiter des Fachbereichs Enterprise Fraud Management (EFM) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Als Vortragender im ao. Masterstudium Inhaltliche Grundlagen für Journalismus und Medienarbeit bei UNI for LIFE macht er Teilnehmende mit der Entwicklung der Arbeitswelt im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung vertraut.